20. Mai 2022
Offener Brief an Bundesfamilienministerin Lisa Paus
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Glinkastraße 24
10117 Berlin
Referentententwurf der Bundesregierung schweigt zur Vaterschaftsfreistellung**
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Ich wende mich heute an Sie, da wir vom aktuellen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie1 sehr irritiert und beunruhigt sind. Nachdem die Vaterschaftsfreistellung erst in den Wahlprogrammen, später im Koalitionsvertrag stand und die erste Familienministerin der Ampel-Koalition sich klar dazu bekannt hat, wird nun die Vaterschaftsfreistellung** mit Lohnfortzahlung einfach ausgespart! Das darf, gerade angesichts sehr einhelliger Expert*innen-Stimmen zu diesem Thema, nicht passieren!
Seit 2007, mit dem neuen Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, ist eine Veränderung bei den werdenden Vätern zu erleben, die einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Hieß es früher, die Väter bringen sich nicht ein, wenn es um Kinderversorgung geht, ist die heutige Vätergeneration aktiv dabei und will sich von Anbeginn für ihre Kinder und in den Familien engagieren. Die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit werden gerade neu hinterfragt und neu ausgehandelt. In Dresden nehmen 61,7% Väter Elternzeit!2 Dies gilt es zu unterstützen und weiter auszubauen.
Wenn Sie Stimmen zur Notwendigkeit und zu den Wünschen nicht nur werdender Eltern hören möchten, schauen Sie sich die über 2.300 Kommentare in unserer Petition https://openpetition.de/vaterschaftsfreistellung und Fachbeiträge auf der begleitenden Homepage https://www.vaterschaftsfreistellung.de an, die von Müttern, Vätern, Eltern, Expert*innen und Fachkräften im Bereich der Geburtsbegleitung und -nachsorge geteilt wurden und die die Vaterschaftsfreistellung** durchweg als sehr wichtig erachten. Weit über 9.000 Stimmen unterstützen die Petition und ganz oft haben wir gehört, „Das kommt doch sowieso!“. Leider scheint diese Aussage heute nicht mehr ohne weiteres zuzutreffen.
Wir können ein weiteres Hinauszögern der Bundesregierung und des Familienministeriums nicht verstehen, braucht es doch gerade für eine moderne Familienpolitik klare und zukunftsweisende Rahmenbedingungen! Was möglich ist, zeigt Spanien mit 6 Wochen obligatorischer Elternzeit bei vollem Lohnausgleich und weiteren 10 Wochen optionaler Elternzeit mit Lohnausgleich!3
Neben den bestehenden Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzregelungen braucht es aus Sicht (nicht nur) der Väter:
- Eine mindestens 2-wöchige Freistellung zur Geburt bei vollem Lohnausgleich
- Mehr Elternzeit und die Perspektive einer Aufteilung von 8 + 8 + 8 Monaten (Vater/Parter*in + Mutter/Parter*in + gemeinsam), die finanziell abgesichert sind und insbesondere Familien mit geringen Einkommen nicht ins finanzielle Aus schicken
- Klare Regelungen von Anbeginn für getrennt erziehende Eltern bzw. Eltern ohne Trauschein, wie sie als Lücke im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim BMFSFJ „Gemeinsam getrennt erziehen“ dargestellt werden4
- Kampagnen zur Unterstützung von Teilzeit für Väter mit einer deutlichen Vorbildwirkung im Öffentlichen Dienst
- Anreize für eine Veränderung von einseitigen Care- und Erwerbsarbeitszuschreibungen, z.B. durch eine Familienarbeitszeit
Handeln Sie jetzt und schieben sie solch wichtige Entwicklungen nicht auf die lange Bank!
Machen Sie einen Anfang und bekennen Sie sich zu einer mindestens zweiwöchigen Vaterschaftsfreistellung** mit Lohnausgleich! Jetzt!
Holger Strenz
Aus der Praxis der Arbeit mit Vätern bei Papaseiten.de und Initiator der Petition zu 10 Tagen Vaterschaftsfreistellung** bei der Geburt mit Lohnfortzahlung.